Foto "Prima Facie", © Candy Welz

Prima facie

Dem ersten Anschein nach – prima facie – scheint der Sachverhalt klar zu sein: Eine Frau gibt an, vergewaltigt worden zu sein, der Mann steht vor Gericht. Prima facie bedeutet aber auch: bis auf Widerruf. Steht ein Anscheinsbeweis fest, so obliegt es der Gegenseite, ihn zu erschüttern. Darauf hat sich die junge Strafrechtsanwältin Tessa spezialisiert.

Ihr Spezialgebiet ist die Verteidigung von Männern, die wegen sexueller Übergriffe angeklagt sind. Die Prozesse sind für sie wie Sport, ein Spiel, das sie unbedingt gewinnen will. Ob ihr Mandant die Dinge getan hat, die ihm zur Last gelegt werden, will sie gar nicht wissen. Sie ist auf der Suche nach den Ungereimtheiten in den Aussagen der Opfer und der Zeugen, den Argumenten, mit denen sie den Prima-facie-Beweis aushebeln kann. Und sie findet sie. Immer!

"Bei sexuellen Übergriffen steht meist Aussage gegen Aussage. Ja, die sexuelle Handlung fand statt, aber war sie auch einvernehmlich?" Tessa muss nicht beweisen, ob das Opfer, das fast immer weiblich ist, zugestimmt hat, sondern dass der Mann nicht wusste, dass es kein Einvernehmen gab. Auf diese Weise hat es Tessa geschafft. Aus einfachsten Verhältnissen stammend, hat sie sich zur Top-Anwältin hochgearbeitet. Sie gewinnt fast jeden Prozess.

Die Freisprüche feiert sie dann mit ihren Anwaltskollegen. Doch Vorsicht: "Eine Regel unter Anwälten lautet, schmücke dich nicht mit dem Sieg. Schon am nächsten Tag kannst du verlieren." Aber das passiert Tessa selten, ihr Rat ist unter den Kollegen gefragt. Auch ihr Kollege Julian braucht ihre Hilfe. Abends nach der offiziellen Arbeit, bei Wodka und Smalltalk, kommen die beiden sich näher. In Julians Büro schlafen sie miteinander. Wird das eine Beziehung? Fast sieht es so aus. Doch dann passiert etwas, was Tessa nicht für möglich hielt. Julian wird sexuell übergriffig, ignoriert ihr Nein und ihre körperliche Abwehr! Obwohl für Tessa alles auf dem Spiel steht, ihre Karriere, ihre Freunde, ihr Privatleben, geht sie noch am selben Tag zur Polizei und zeigt Julian wegen Vergewaltigung an. Plötzlich steht sie auf der anderen Seite und erlebt die Vorgänge in einem Vergewaltigungsprozess als Opfer und Zeugin der Anklage. Die Erkenntnisse, die sie dabei gewinnt, verändern gründlich ihre Sicht auf die Dinge und das juristische System.

Suzie Millers aufwühlender Monolog wurde 2019 in Sydney mit sensationellem Erfolg uraufgeführt. Er wurde nicht nur als Theaterereignis gefeiert, sondern auch in juristischen Kreisen intensiv diskutiert. Seit 2022 ist das ergreifende Stück auf Siegeszug durch Europa. 2023 wurde es mit dem Laurence-Olivier-Award, dem wichtigsten Theaterpreis Großbritanniens, ausgezeichnet. Die deutsche Übersetzung von "Prima facie" von Anne Rabe wird im Herbst 2023 neben Heilbronn an gleich mehreren Theatern in Deutschland erstmals aufgeführt.

Alle Angaben ohne Gewähr.

https://www.theater-heilbronn.de/programm/schauspiel

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